Nyadra Nachtschimmer
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Angemeldet seit: 30.01.2012 Beiträge: 57 |
Leben und Sterben von Nyadra Nachtschimmer Der Schmerz war fast unerträglich. Sie konnte ihre Gedanken einfach nicht zusammenhalten. Wirre Bilder zogen durch ihren Kopf…..ihre Priesterakademie….sie spielt mit ihren drei Schwestern am See…ihre Eltern liegen erschlagen vor ihrem Haus…ein Verlassener lacht…das Lazarett, in dem Hunderte ihre Hilfe benötigen…wieder dieses Lachen, diesmal näher, wirklicher. Sie krümmte sich auf dem Boden zusammen und sah nach oben. Der untote Hexenmeister vor ihr grinste sie fast mitleidig an. „Willkommen… mein Blutengel“ war alles was er sagte. Mühsam kam sie wieder auf die Beine und sah sich um. Ein feuchtes dunkles Gewölbe, erhellt nur von einigen rußenden Talgkerzen. An den Wänden Regale mit Büchern, Folianten und vielen Flaschen, gefüllt mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten. In einigen schwammen seltsame Gebilde, die sie nicht genau erkennen konnte. Auf einem riesigen Schreibtisch weitere Flaschen und Phiolen. Augenscheinlich ein Labor. An einer Wand ein Kamin, das Feuer fast erloschen. Daneben stand teilnahmslos ein grosser Dämon. Dann wanderte ihr Blick wieder zu dem Verlassenen. Trotz seiner offensichtlichen „Mängel“ strahlte er Größe und Macht aus und Nyadra war trotz ihrer Schmerzen und Angst von der Erscheinung beeindruckt. Wie war sie nur hier her gekommen. Ihr Kopf wurde langsam wieder klarer und ihr fiel wieder alles ein. Die Oberin hatte sie geschickt, Medizin und Verbände bei den Apothekern von Unterstadt zu holen, da die Vorräte und Kräfte der Heiler im Lazarett nahezu aufgebraucht waren. Einige waren schon zusammengebrochen und benötigten nun selbst Hilfe. Sie hatte sich in Katakomben von Lordaeron begeben und nach den Apothekern erkundigt. Eine mürrische Wache hatte ihr den Weg gewiesen. Im Apothekarium angekommen, hatte sie nach dem am wenigsten verfallenen Untoten Ausschau gehalten, in der Hoffnung, so ihren Ekel leichter unterdrücken zu können. Die Gestalt, die jetzt vor ihr stand, war ihr sofort aufgefallen. Er war der einzige gewesen, der eine saubere Robe trug und strahlte eine Selbstsicherheit aus, die den anderen Verlassenen fehlte. „Mein Name ist Nyadra Nachtschimmer. Meine Oberin schickt mich, Medizin und Verbandsmaterial zu holen.“ Sagte sie knapp, in der Hoffnung, den Besuch möglichst kurz zu gestalten. Der Verlassene musterte sie abschätzend und antwortete dann höflich: „Gestattet, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Nepogor van der Weidenkracht. Gerne bin ich euch behilflich, schließlich müssen wir doch alle im Kampf gegen den Lichkönig zusammen stehen. Folgt mir bitte in unsere Vorratskammern. Ich werde sehen, was ich für euch tun kann.“ Verwundert sah sie den Untoten an. So viel Zuvorkommenheit hatte sie nicht erwartet. Nepogor führte sie durch verschiedene Kammern und blieb schließlich vor einer verschlossenen Tür stehen. Er nahm einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete das rostige Vorhängeschloss. Dann murmelte er leise eine kurze Formel in einer Sprache, die Nyadra nicht verstand. Quietschend schwang die Tür auf. „Entschuldigt die Sicherheitsmaßnahmen, aber es läuft zu viel Gesindel in dieser Stadt herum“ sagte der Verlassene leise. „Tretet ein.“ Er wies mit einer einladenden Geste auf die Tür. Die Elfe sah verwundert in den offensichtlich leeren Raum, wollte aber ihrerseits nicht unhöflich erscheinen und trat ein. Für einen Augenblick verlor sie die Orientierung und alles verschwamm vor ihren Augen. Als sie gerade wieder ihre Fassung zurück gewann, wurde sie von einem riesigen Dämon gepackt und festgehalten. „Ein Portal, ich bin durch ein Portal gelaufen“ dachte sie noch, als auch schon der Untote vor ihr materialisierte. Panisch versuchte sie, sich zu befreien, doch der Griff des Dämons hielt sie eisern fest. „Bemühte euch nicht, meine Liebe, ihr werdet euch dem Griff meines Dieners nicht entwinden können. Weder durch Gewalt, noch mit Magie.“ Der Hexer sagte dies in immer noch äußerst höflichem Tonfall. „Ich weiß, es ist äußerst ungehörig, so mit einer Sindorei zu verfahren, doch ungewöhnliche Umstände zwingen mich zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Auch wenn ihr das jetzt sicher noch nicht glaubt, werdet ihr bald zu meiner treuen Dienerin. Aber macht euch keine Sorge, ihr werdet das nicht mal als Qual empfinden, sondern mir mit Freuden dienen.“ „Niemals!“ schrie Nyadra, „Nie werde ich einem Dämonenpaktierer dienen. Mein Leben ist der Priesterschaft von Silbermond geweiht und meine Fähigkeiten werde ich nur zur Heilung meiner Brüder und Schwestern einsetzen.“ Nepogor lächelte süffisant. „Wenn ihr das sagt.“ Doch sogleich begann er mit Vorbereitungen eines Rituals, ohne sich weiter um seine Gefangene zu kümmern. Die Elfe versuchte weiter, sich gegen ihren Peiniger zu wehren, doch erfolglos. Sie stieß wilde Beschimpfungen aus und bespuckte den Hexer. Schließlich sackte sie entkräftet zusammen und begann zu schluchzen. „So gefallt ihr mir schon wesentlich besser.“ Säuselte der Beschimpfte und streichelte mit seiner knochigen Hand zärtlich ihre Wange. Dann begann er Formeln in einem seltsamen Singsang zu murmeln, die Nyadra jedoch nicht verstehen konnte. Das Ritual schien endlos zu dauern. Flammen zischten, Öle wurden in Schalen gegossen und ließen stinkende Dämpfe aufsteigen und schließlich wurde ihr gewaltsam eine übel schmeckende Flüssigkeit eingeflößt. Dann kam der Schmerz. Das alles war jetzt Jahre her und Nyadra weiß nicht mehr, warum sie damals solche Angst gehabt hat. Längst sieht sie in ihrem Meister keine Bedrohung mehr, sondern sie arbeitet gerne für ihn und unterstützt ihn mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie ist jedoch realistisch genug, um zu wissen, dass Nepogor in ihr weiterhin nur ein Werkzeug sieht, welches er für seine Machenschaften nutzt, bis er es nicht mehr benötigt. Dann wird er sich ihrer wohl einfach entledigen. Doch darüber macht sie sich keine Gedanken, warum auch, niemand kann seinem Schicksal entfliehen. Diese Lektion hat sie schon vor langem in den Diensten des Hexenmeisters gelernt. Die Schattenpriesterin liegt gemütlich auf dem Diwan in Nepogors neuem Heim, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Die neue Behausung war ihre Idee gewesen, da sie die feuchten Kellergewölbe in Unterstadt nie gemocht hatte. Der Hexer hatte sie amüsiert angeschaut, als sie von der Möglichkeit eines Umzugs sprach, ihr dann jedoch freie Hand gelassen, bei der Wahl der Wohnung. Seit dem lebte sie wieder in Silbermond. Sie betrachtet gedankenverloren ihren mageren, durchscheinenden Körper und wieder schweifen ihre Gedanken in die Vergangenheit, jedoch nicht ganz so weit…. Sie waren in dem feuchten Kellerlabor. Ihr Meister stand am Arbeitstisch und murmelte dunkle Formeln, während er verschiedene Ingredienzien in einen kleinen Kessel warf, unter dem eine hellgrüne Flamme brannte. Nyadra saß in einer Ecke und versuchte sich erneut an einem Heilzauber. Neben ihr lagen schon die verstümmelten Leichen von drei jungen gefesselten Gnomen, die so unvorsichtig gewesen waren, achtlos durch den Silberwald zu streifen. Ihre noch lebende Begleiterin, eine Gnomin mit Lila Strubbelfrisur lag jammernd vor ihr. Die Elfe hatte ihr kurz zuvor mit einem kleinen rostigen Beil schwere Verletzungen zugefügt. Teilnahmslos starrte sie auf das schreiende Bündel zu ihren Füßen und versuchte, sich auf den Zauber zu konzentrieren. Licht sammelte sich zwischen ihren Händen und senkte sich dann auf die Gefangene herab. Augenblicklich stoppte der Blutfluss bei der Gnomin und die Wunden fingen an, sich zu schließen. Nyadra konzentrierte sich weiter und die kleineren Wunden verschwanden fast gänzlich. Ein zufriedenes Grinsen begann sich auf ihrem Gesicht abzuzeichnen. Ihre Heilkräfte wurden immer besser. Vielleicht konnte sie ihre Gefangene für weitere Tests wieder verwenden, wenn der Zauber seine ganze Wirkung getan hatte. Das Leuchten in ihren Händen wurde heller und begann, den ganzen Raum zu erleuchten. Dann kam die Explosion. Grüne, weiße und schwarze Flammen schossen durch den Raum. Sie entzündeten sofort, die Bücher und Folianten. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus. Nach einer Schrecksekunde sammelte die Elfe sich wieder und sah sich nach Nepogor um. Der lag zusammengekrümmt an der gegenüberliegenden Wand seines Arbeitstisches. Seine Robe brannte und aus seiner Brust ragten etliche Utensilien, die zuvor auf dem Tisch gestanden hatten. „Dann ist die Explosion wohl von seinem Tisch ausgegangen und nicht von mir, Glück gehabt, das hätte sonst wohl wieder drakonische Strafen nach sich gezogen.“ dachte sie noch. Dann packte sie ihren Meister am Kragen und zog ihn noch brennend aus dem Raum. Draußen warf sie sich auf die brennende Robe und versuchte, die Flammen mit ihrem Körper zu ersticken. Der Hexer lag rauchend auf dem Boden und gab keinen Ton mehr von sich. Sie wusste, sie würde ihm helfen müssen, wenn er überleben sollte. Die Überlegung, sich jetzt von seiner Herrschaft zu befreien, blitzte nur für Sekundenbruchteile auf und verschwand sofort wieder. Vorsichtig entfernte sie viele Splitter wie möglich aus der Brust ihres Meisters. Jetzt war ihre Kunst gefragt. Sie konzentrierte sich, um genug Magie weben zu können, die solche Verletzungen heilen konnten. Ihr wurde kurz bewusst, dass sie noch versucht hatte, einen Verlassenen zu heilen, war es dasselbe wie bei Lebenden? Noch dazu handelte es sich ja um einen grossen Hexenmeister. Was hatte der schon alles mit seinem Körper angestellt, von dem sie nichts wusste und wie würde es sich auf ihre Magie auswirken? Fragen, die sie zwar gerne beantwortet hätte, doch dafür war jetzt keine Zeit. Ihr Zauber senkte sich langsam auf Nepogors Brust und sie sah gebannt hin, was passieren würde. Die Stunden verstrichen, doch es zeigte sich keine Reaktion. Nyadra griff tiefer nach der Magie. Noch immer nichts. Ihre Kräfte reichten einfach nicht aus. Sie suchte nach weiteren Quellen, um ihrem Zauber mehr Kraft zu geben und dann, ganz langsam, aber stetig stieg die Macht ihres Zaubers. Die Heilung setzte fast unsichtbar ein. Wieder sammelte sie ihre Energien und ließ sie in den geschundenen Körper des Hexers fließen. Sie fühlte sich unendlich schwach und wusste, sie muss den Zauber beenden, sonst ist es ihr sicherer Tod. Sie ließ den gewebten Zauber los, doch dann…der Zauber hielt sie gefangen. Sie konnte ihn nicht lösen. Immer mehr ihrer Energie floss dahin. Sie erkannte erschreckt, dass die Magie des Hexers die Kontrolle übernommen hatte. Sie hatte auf ihrer hektischen Suche nach mehr Kraft die Macht ihres Meisters angezapft. Diese hatte jetzt die Macht übernommen und saugte das Leben aus der Elfe, damit Nepogor leben konnte. Schließlich saß sie nur noch teilnahmslos auf dem Boden und beobachtete das Geschehen. Die Wunden des Verlassenen schlossen sich eine nach der anderen. Irgendwann schwanden ihr die Sinne und sie fiel in ein tiefes Nichts. Als sie wieder erwachte, saß sie noch immer auf dem Boden. Sie fühlte nichts. Keine Schmerzen, keine Erschöpfung, kein Leben. Sie war verändert, konnte aber nicht einordnen, was mit ihr passiert war. Sie betrachtete den Untoten vor ihr und stellte erleichtert fest, dass er sich ein wenig bewegte. Ihr Zauber hatte also wohl funktioniert. …Ihr Zauber? Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken herunter, als sie an die fremdartige Magie dachte, die durch sie gewirkt hatte. Sie betrachtete ihre Hände und erstarrte. Sie sah die verbrannte Robe des Hexers durch ihr Hände schimmern. Sie sah an sich herunter. Ihr ganzer Körper schien nur aus dunklen Schatten zu bestehen. Sie schloss die Augen, um den Alptraum zu verscheuchen. Aber selbst durch die geschlossenen Augenlieder sah sie noch immer, was mit ihrem Körper geschehen war. Entsetzen packte sie und sie schrie…. Mit einem leichten Kopfschütteln vertreibt sie den Gedanken an diesen Tag aus ihrem Kopf. Was ihr damals als nicht enden wollender Alptraum erschienen war, bereitet ihr heute nur noch Freude. Es war ihr letzter Heilzauber damals. Seither hat sie viel lernen müssen, um ihre neu gewonnenen Fähigkeiten zu beherrschen, hat es aber inzwischen zu wahrer Meisterschaft gebracht. Schon vor Jahren hat sie den Versuch aufgegeben, ihre normale Gestalt wieder zu erlangen. Gedankenverloren greift sie nach der Bürste auf dem Tisch und beginnt, sich zu frisieren. Ihr Äußeres war ihr schon immer wichtig gewesen, auch wenn das in ihrem Zustand kaum jemand bemerkte. Lediglich Nepogor macht hin und wieder eine spöttische Bemerkung zu ihrem Körperkult. Die monotone Bewegung der Hand lässt ihre Gedanken wieder in die Vergangenheit zurückkehren. Sie waren bei Onkel Thaenas, dem Bruder ihres Vaters, in Silbermond. Ihre Mutter hatte ihr aufgetragen, dafür zu sorgen, dass ihre drei kleinen Schwestern sich benahmen. Wie sollte sie, sie war doch selbst noch ein Kind. Sie hatte Thaenas nie gemocht, er war immer so ernsthaft. Nie machte er Späße mit den Kindern. Ein Blutritter halt. Und seine kleine Tochter Antalis war auf dem besten Weg, genauso zu werden. Immer plapperte sie, „Wenn ich groß bin, werde ich auch eine berühmte Paladina.“, dabei war ihr Vater gar nicht berühmt. Er war einfach nur irgendein Blutritter von vielen, hielt den Orden aber für die einzige Rettung der Blutelfen. Bei so viel Arroganz fühlte Nyadra sich schon immer unwohl, doch die Geschäfte ihrer Eltern zwangen sie und ihre Schwestern, häufiger bei den beiden Unterschlupf zu suchen. Doch am Abend wollten ihre Eltern sie endlich wieder abholen kommen. Die kleine Elfe saß schon seit Stunden vor der Haustür ihres Onkels und hielt nach der edlen Gestalt ihrer Eltern Ausschau. Die Hausangestellte rief sie zum Abendessen und mürrisch stand sie auf. Bei Tisch erzählte der Blutritter wieder von seinen Heldentaten und seine Tochter klebte förmlich an seinen Lippen, obwohl sie die Geschichten wohl schon tausendmal gehört hatte. Nyadra war einfach nur gelangweilt. Ihre kleinen Schwestern plapperten derweil munter drauf los und ernteten böse Blicke von der Verwandtschaft. Nach dem Essen stürmte sie sofort wieder raus, sie wollte nur noch nach Hause. Doch niemand kam sie holen. Irgendwann wurde sie hereingerufen und musste zu Bett. Ihre Schwestern waren schon lange eingeschlafen und die kleine Thortra brabbelte wie immer leise vor sich hin, während sie gleichzeitig am Daumen lutschte. Nur sie konnte nicht schlafen. Warum waren ihre Eltern nicht gekommen? Als sie dann doch endlich einschlief, wurde sie von furchtbaren Alpträumen gequält. Nichts neues am nächsten Morgen. Nun wurde sie wirklich nervös. So etwas hatten ihre Eltern noch nie gemacht. Nyadra schlich sich aus dem Haus und machte sich auf den Weg zu ihrem Heim. Sie würde mindestens bis zum Mittag unterwegs sein, aber das war ihr egal. Die Wachen am Stadttor schenkten ihr keinerlei Beachtung, als sie an ihnen vorbei schlüpfte. Schnellen Schrittes machte sie sich auf nach Süden, doch schon bald wurden ihre Schritte langsamer. Es war halt doch ein Unterschied, ob man in einer gemütlichen Kutsche saß, oder die Strecke laufen musste, aber tapfer setzte sie weiter einen Fuß vor den anderen. Sie wusste nicht, wie lange sie schon unterwegs war, als sie Durst bekam und sie musste an einem kleinen Bach anhalten, um etwas zu trinken. Sie kniete nieder und schöpfte das Wasser mit der Hand. Sobald ihr Durst gestillt war, machte sie sich wieder auf den Weg, stellte jedoch verärgert fest, dass sie ihr Kleid beim Trinken dreckig gemacht hatte. Sie versuchte den Dreck im Gehen abzuwischen, verschmierte ihn aber nur weiter, was sie noch mehr ärgerte. Zu Hause würde sie sofort ein neues anziehen. Müde und erschöpft kam sie endlich an die kleine Abzweigung zu ihrem Haus. Doch etwas stimmte nicht. Die Weggabelung war von vielen Hufspuren zertrampelt. Die meisten stammten von Pferden, doch die anderen konnte sie nicht erkennen, einige schienen sogar von Klauen, oder Tatzen sehr großer Tiere zu stammen. Schlagartig wandelte sich ihre Erschöpfung in sorgenvolle Erregung. Sie stürmte den schmalen Weg zu ihrem Heim entlang. Aus den Augenwinkeln sah sie etwas am Wegesrand liegen und hielt abrupt an. Ein Kind in heruntergekommener Kleidung lag mit durchschnittener Kehle im Gras. Nein, doch kein Kind…ein Gnom. Wie kam der hier her? Panik stieg in ihrer Kehle auf. Als sie sich umsah, entdeckte sie einige Schritte weiter einen Menschen in zerlumpter Lederrüstung. Sein Körper wies schwere Verbrennungen auf und sein Gesicht war kaum noch zu erkennen. Er stank entsetzlich. Etwas weiter fand sie zwei tote Zwerge, auch sie waren stark entstellt. Sie ignorierte das nahende donnern eines Schweren Rosses hinter sich und rannte weiter. Dann packte sie das Grauen. Die Köpfe ihrer Eltern starrten sie mit offenen Augen von den Pfählen des Zauns vor dem Haus an. Sie wollte gerade einen Schrei ausstoßen, da wurde sie plötzlich hoch gerissen und ihr Gesicht gewaltsam gegen schwarzes Metall gedrückt… Wenn sie sich heute an diesen Tag erinnert, kann sie sich ein zynisches Grinsen nicht verkneifen. Als ihr Onkel ihr Verschwinden endlich bemerkt hatte, war er sofort losgeritten, ihr zu folgen. Er kam jedoch einige Sekunden zu spät, um zu verhindern, dass Nyadra mit der ersten grausamen Lektion ihres Lebens konfrontiert wurde. Es sollte bei weitem nicht die letzte bleiben, aber ihr Vertrauen in den Orden der Blutritter war seit diesem Tag empfindlich gestört. Wahrscheinlich kommt daher auch ein Großteil des Wunsches, ihre Cousine Antalis zu vernichten. Aber leider nur ein Wunsch, solange Nepogor noch Pläne mit der Paladina hat. Wenn er ihr wenigstens sagen würde, was er mit der Blutritterin zu tun gedenkt, dann könnte sie ihre Wut wenigstens auf etwas konzentrieren, aber wie immer, behält ihr Meister seine Pläne für sich und gibt nur so viele Informationen preis, wie sie unbedingt benötigt. Eigentlich sollte er seit Jahren wissen, dass er ihr völlig vertrauen kann, aber dieses Misstrauen liegt wohl im Wesen des Hexers. „Euer Meister schickt mich mit einem äußerst wichtigen Auftrag zu euch, meine Dame.“ Beralthar Wynthrom, dieser schmierige Fatzke von einem Untoten. Nyadra kann sich ein Grinsen nie verkneifen, wenn sie diesen eitlen Kadaver sieht. Nur eine feige Made in Diensten des Meisters, tut er immer so, als sei er die rechte und die linke Hand von Nepogors und als könne dieser ohne ihn nicht existieren. Sie kann absolut nicht verstehen, warum er immer noch in Diensten Nepogors steht. Sie hätte diesen Wurm längst zertreten, wenn sie dürfte. „Ja sicher ist der Auftrag wichtig. Ist er das nicht immer? Selbst wenn er euch schickt, die Blumen zu gießen?“ Lachend setzt sie sich auf. „Dann mal raus mit der Sprache eure Wichtigkeit, wie kann ich den Meister erfreuen?“ Der Verlassene plustert sich auf. „Unterlasst solche Unverschämtheiten, oder ich werde unserem Herrn und Meister von eurem Mangel an Respekt berichten.“ „Tut das, aber teilt mir vorher bitte noch euren Auftrag mit. Der Meister könnte verärgert sein, wenn ihr über eine kleine Unstimmigkeit euren wichtigen Auftrag vergesst.“ Erschrocken zieht der Glatzkopf die Schultern ein. „Niemals würde ich einen Auftrag unseres weisen Herrn vergessen.“ Er kramt in den Ärmeln seiner Robe und zieht ein versiegeltes Pergament heraus. Wortlos reicht er es an die Elfe weiter. Nyadra nimmt das Pergament und sieht den Verlassenen unverwandt an. Dieser wird unruhig und sagt: „Nun lest es schon, dumme Elfe.“ „Es ist versiegelt, heißt das nicht, es soll nur vom Empfänger gelesen werden? Also schert euch raus.“ Erschrocken zuckt der Untote zusammen, wendet sich dann aber zum Gehen. „Das werde ich alles eurem Meister berichten.“ „Ich weiß, das tut ihr immer Herr Wynthrom. Und jetzt verschwindet endlich.“ Sie setzt sich wieder hin und dreht das Pergament zwischen ihren Fingern. Es ist fast immer dasselbe. Sie erhält ein Pergament mit knappen Anweisungen, was sie als nächstes zu tun hat. Nur selten trifft sie Nepogor persönlich, aber daran hat sie sich längst gewöhnt. Auch die anderen Blutengel in seinem Gefolge bekommt sie nur selten zu Gesicht. Sie hat keine Ahnung, wer alles in Diensten des Meisters steht, nur bei dreien war sie sich sicher, aber die sind inzwischen wohl alle tot. Für einen kurzen Augenblick überkommt sie so etwas wie Trauer. Manchmal vermisst sie die drei, dabei war es eigentlich sie selbst, die sie in den Tod geschickt hat. Es war wieder ein versiegeltes Pergament, das ihr Beralthar übergeben hatte, damals, als sie noch nicht in den Schatten wandelte. Das alles war noch ziemlich neu für sie gewesen. Nervös hatte sie das Siegel zerbrochen und das Blatt vor sich ausgerollt. Sie sah Nepogors akkurate Handschrift. Leider schrieb er immer in orcisch, eine Sprache, mit der sie noch immer ihre Schwierigkeiten hatte, da sie erst vor wenigen Monaten angefangen hatte, sie zu lernen. Zum Glück benutzte er nicht die für sie völlig unverständliche Gossensprache. Mühsam begann sie, den Text zu übersetzen: „Hallo mein Engel, wieder einmal wirst du mir bei einer Aufgabe dienen und diesmal eine, für die niemand besser geeignet ist, als du, meine Kleine. Du wirst mir meine Armeen mehren und neue Blutengel zu mir führen. Bring mir deine Schwestern! Sie sind jetzt alt genug, um mir von Nutzen zu sein.“ Wie immer, keine Unterschrift. Nyadra schluckte schwer. Ausgerechnet ihre Schwestern. Warum sie? Gab es nicht genug andere, die er sich einverleiben konnte? Hatte er sie nicht schon genug gequält? Und erst sein wiederlicher Helfer Beralthar, der sich ein Vergnügen daraus machte, sie zu foltern, um auch den letzten Rest ihres willens zu brechen. Er hatte sie schon unzählige Male von seinem Sukkubus blutig peitschen lassen, nur um danach die stinkenden Salben, die er in seiner kleinen Kammer angerührt hatte, mit seinen knochigen Fingern auf ihrem nackten Körper zu verteilen. Und jetzt sollte das auch ihren Schwestern wiederfahren. Nyadra würgte vor Ekel, wohl wissend, dass sie sich dem Befehl niemals würde wiedersetzen können. Längst war sie eine willige Dienerin, die alle Befehle rücksichtslos ausführte. So auch diesen. Sie hatte leichtes Spiel bei ihren Geschwistern, da diese froh waren, sie endlich noch einmal wieder zu sehen. Vertrauensvoll folgten sie ihrer Schwester in ihr Verderben. Im Labor angekommen, hatte Nepogor sie gezwungen, bei dem Ritual, das ihre Schwestern versklaven würde, zu assistieren. Sie wollte sich weigern, doch wieder zwang der Wille des Meisters sie, seinen Befehlen zu gehorchen. Mit Tränen in den Augen musste sie zusehen, wie ihre Schwestern eine nach der anderen gebrochen wurden, um wie sie, zu willenlosen Opfern des Velassenen zu werden. Nach diesem verhängnisvollen Tag konnte sie ihren Schwestern nie wieder in die Augen sehen, was zu ihrem Glück auch nicht oft nötig war, da sie sich kaum noch sahen. Sie erfuhr nichts über ihr weiteres Schicksal, bis Beralthar eines Tages vor ihr stand und mit einem bösartigen Grinsen im Gesicht zu ihr sagte: „Deine Schwester Elysia hat ihren letzten Auftrag nicht zu Ende gebracht. Du wirst das übernehmen!“ Das war das letzte Mal, dass sie ihren Namen hörte. Was war geschehen? War sie tot? Und wenn ja, wie war sie gestorben? Hatte Nepogor auf eine tödliche Mission geschickt? Hatte er sie wegen ihres Scheiterns ermordet, oder hatte sein unterwürfiger Diener, der so gerne Frauen quälte, so lange seinen kranken Phantasien gefrönt, bis sie gestorben war? Kurze Zeit später war Thortra wohl ein ähnliches Schicksal wiederfahren, denn auch für sie musste Nyadra einen Auftrag zu Ende bringen. Über den Verbleib ihrer Schwester Tienna erfuhr sie durch eine Unvorsichtigkeit Beralthars. Sie war von einer Mission nicht zurückgekommen. Lebte sie womöglich noch, aber warum hatte sie dann seit Jahren keinen Kontakt zu ihr aufgenommen. Sie musste doch wissen, dass ihre Schwester damals nicht aus freiem Willen gehandelt hatte. Konnte sie ihr das bis heute nicht verzeihen, oder war auch sie längst tot? Heute ist es ihr nicht mehr wichtig, aber es hat Jahre an ihr genagt, immer zwischen Hoffen und Bangen gefangen zu sein. Sie öffnet das Siegel und rollt das Blatt aus. Längst hat sie keine Probleme mit dem orcischen und selbst die Gossensprache ist ihr nicht mehr völlig fremd, das aber hat sie bis heute für sich behalten. Wieder muss sie lächeln. Ja auch sie hat ihre kleinen Geheimnisse, wenn auch nur sehr kleine. „Hallo mein Engel, wieder einmal wirst du mir bei einer Aufgabe dienen….“ Noch immer dieselbe Begrüssungsfloskel. „Es wird Zeit, sich endlich ernsthaft deiner werten Cousine Antalis zu widmen. Ich habe schon Vorbereitungen für ihren Empfang getroffen. Deine Aufgabe wird es sein,….“ Sie liest die Instruktionen gewissenhaft durch und prägte sich jedes Detail genau ein. Versagen ist für sie keine Option. Das hat sie noch nie getan und hat nicht vor, gerade bei diesem Auftrag damit zu beginnen. Endlich…endlich wird sie entschädigt für Zeit, die sie im Haus von Antalis und ihrem Vater verbringen musste. Dieser ach so gute Blutritter. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte er sie in seiner unsäglichen Gnade bei sich aufgenommen. Das Haus war bei weitem nicht für vier Kinder gebaut und die Schwestern mussten sich seither ein Bett teilen. Doch das war nicht das Problem. Seine täglichen Belehrungen und die Heldentaten seines Ordens, die sie sich immer wieder aufs Neue anhören mussten. Schon bald war ihr der rote Drache auf schwarzem Grund verhasst Dazu die kleine Antalis, die glaubte, ihr Haus sei das Ordenshaus der Blutritter von Silbermond. Sie konnte nie verstehen, dass nicht jeder den zwingenden Wunsch verspürte, auch ein Ordensritter zu werden. Immer wollte sie mit Nyadra im Garten den Schwertkampf trainieren. Das alles machte die neue Bewohnerin immer unzufriedener. Als sie dann noch ihre heilenden Kräfte entdeckte, brach ihre Cousine ganz mit ihr und zeigte ihr gegenüber nur noch mitleidige Verachtung. Jemand der nicht mit einem Schwert herumfuchtelte, war in ihren Augen kein vollwertiger Blutelf. Und wie sehr sie dabei immer das Wort „Blut“ betonte, als sei es eine Beschwörungsformel. Das besserte sich erst etwas, als ihre Cousine begann, mit echten Waffen zu trainieren, statt mit Holzschwertern. Da kam sie dann jammernd zu Nyadra, um sich die Blessuren versorgen zu lassen. Doch selbst da musste die junge Heilerin immer mit Sätzen rechnen wie: „Tu wenigstens einmal etwas sinnvolles, wenn du die Blutelfen schon nicht retten willst.“ Sobald sie alt genug war, hatte sie das Haus verlassen und sich einer Priesterin angeschlossen, die sie mit in ein Ordenshaus nahm, wo sie ihre Ausbildung begann. Seither hatte sie immer aufmerksam die Karriere von Antalis verfolgt und war wenig überrascht, dass diese nun dem Ordenshaus in Silbermond vorstand. Allerdings machte dieser Umstand die nun vor ihr liegende Aufgabe nicht gerade leichter. Aber das war egal, sie würde schon einen Weg finden, ihr Ziel zu erreichen, das hatte sie immer getan. Weder der Orden, noch das Haus N hir, dem sich ihre Cousine angeschlossen hatte, würde sie daran hindern. Zuviel steht für sie auf dem Spiel. Außerdem muss sie sich eingestehen, dass ihr diese Schattenhaftigkeit und das damit verbundene „Leben“ wesentlich besser gefällt, als dumme Krieger und Paladine zusammen zu flicken, die mit ihren Verletzungen auch noch prahlen. Sie überlegt, wann ihr dieser Sinneswandel eigentlich bewusst geworden ist. Wann hat es begonnen, dass ihr das Töten, die Intrigen und der Verrat Spaß machten? Wann hatte sie sich von ihrem früheren Leben losgesagt? Sicher nicht direkt nach ihrer Verwandlung, da war sie beinahe der Verzweiflung anheimgefallen. Es muss wesentlich später gewesen sein. Der Tod ihrer Schwestern hatte sie eigentlich schon nicht mehr schwer getroffen. Da beherrschte sie ihre neuen Talente auch schon fast vollständig und hatte sich schon daran gewöhnt, Leben zu nehmen und nicht zu retten. Zuletzt bearbeitet am: 31.01.2012 10:32 Uhr. |
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